Ein Ruheort für Engelskinder
Ein Ruheort für Engelskinder
Main-Post Bad Kissingen, 05. Juli 2012
Antrag an die Stadt:
Grab-Feld für Totgeburten auf dem Parkfriedhof – Ortsbegehung
Platz für Engelskinder: Auch im Mutterleib verstorbenen Babys mit weniger als 500 Gramm Gewicht soll eine würdige Bestattung ermöglicht werden, so der Wunsch einer Initiative an die Stadt.
Über Tabus spricht man nicht. Oder zumindest nicht gerne. Eine Kissinger Initiative hat sich jetzt aber entschlossen, ein Tabu zu brechen. Gabriela Amon, Klinikseelsorgerin am St. Elisabeth-Krankenhaus, Ingo Mack von der Patientenverwaltung des Hauses und Cornelia Weber von der Christian-Presl-Stiftung haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an die Stadt gewandt. Ihr Ziel: die Einrichtung eines Gräberfeldes auf dem Kissinger Parkfriedhof für Fehl- und Totgeburten.
Sie werden liebevoll Engelskinder, Sternenkinder oder Schmetterlingskinder genannt – Babys, die nicht den Weg ins Leben schafften, weil sie vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Zurück bleiben trauernde, verunsicherte, oft sogar traumatisierte Mütter und Väter.
„Es ist uns ein großes Bedürfnis, für betroffene Eltern eine würdige Form des Abschieds zu gewährleisten“, sagt Mack auf Anfrage unserer Redaktion. „Unsere Klinik zeigt gerne all die positiven Seiten rund um die Geburt eines Kindes, da halten wir es für unsere ethische Pflicht, auch mit den Schattenseiten professionell umzugehen.“
Und die Schattenseiten gibt es, wie Gemeindereferentin Amon aus ihrer Erfahrung als Klinikseelsorgerin weiß. „Der Tod eines Kindes in der Schwangerschaft ist vielleicht körperlich relativ schnell zu verarbeiten, aber die seelische Wunde bleibt oft lange.“ Umso wichtiger sei es, dass die betroffenen Eltern auch einen konkreten Ort für ihre Trauer fänden.
Das kann Cornelia Weber von der Christian-Presl-Stiftung in Bad Kissingen nur bestätigen. „Der früheste Verlust eines Kindes noch in der Schwangerschaft, durch eine Totgeburt oder kurz nach der Geburt hat einen anderen Aspekt der Trauer, als wenn ein Kind stirbt, das mehrere Jahre gelebt hat.“
In den 50er, 60er-Jahren habe man nicht gewusst, was mit so einem sehr früh verlorenen Kind geschehen sei. „Der Schmerz kam immer wieder“, hat Weber in ihrer eigenen Verwandtschaftsgeschichte erlebt. „Heutzutage ist das Bewusstsein da, dass es auch für solche Kinder und ihre Eltern einen würdevollen Umgang braucht.“
Dabei bekommt auch eine juristische Komponente Tragweite: Artikel 6 des bayerischen Bestattungsgesetzes schreibt eine Bestattungspflicht für eine tot geborene oder während der Geburt verstorbene Leibesfrucht mit einem Gewicht von mindestens 500 Gramm vor. Für Fehlgeburten unter diesem Mindestgewicht besteht lediglich die Möglichkeit, keine Pflicht. Bundesweit betrachtet, ist die Gesetzeslage uneinheitlich.
„In den vergangenen Jahren sind sich immer mehr Krankenhäuser dieses sensiblen Themas bewusst geworden“, so Amon. Kliniken in Schweinfurt und Würzburg ermöglichten bereits betroffenen Eltern, Fehl- oder Totgeburten auch unter dem Grenzgewicht beizusetzen. Auch Amon hat im Lauf ihrer Tätigkeit als Klinikseelsorgerin Ideen gesammelt und Gestaltungsräume ausgelotet. Entsprechend erfreut sind sie und ihre beiden Mitstreiter, dass nun auch die Stadt Interesse an dem Anliegen signalisiert hat.
„Wir bemühen uns, dem Antrag möglichst unproblematisch nachzukommen“, sagt Thomas Hack, Pressesprecher der Stadt, auf Anfrage unserer Redaktion. Auch bei Rainer Warzecha, dem Leiter des Ordnungsamtes, stößt das Anliegen auf offene Ohren. Am Donnerstag findet mit den Initiatoren eine Ortsbegehung auf dem Parkfriedhof statt.
Diese sei als erste Bestandsaufnahme gedacht, so Warzecha gegenüber der Main-Post. „Der Parkfriedhof verfügt ja über ein Kindergräberfeld. Vielleicht kann dieses um ein Areal für Totgeburten erweitert werden, vielleicht kann auch ein separates Feld ausgewiesen werden“, beschreibt Warzecha mögliche Optionen. Der Ordnungsamtsleiter geht davon aus, „dass sich der Bauausschuss zeitnah mit dem Antrag beschäftigen wird“.
Wann das Anliegen umgesetzt werden kann, ist noch offen. Die Initiatoren betonen, bei diesem sensiblen Thema keinen Druck ausüben zu wollen. Aber sie sind optimistisch: „Wenn alle zusammenarbeiten“, äußert sich Weber zuversichtlich, „lässt sich das Gräberfeld gut realisieren“.
(Verfasserin: Susanne Wahler-Göbel | Bildquelle Statue: Susanne Wahler-Göbel)