Wie Kinder auf den Tod eines Elternteiles reagieren
Wie Kinder auf den Tod
eines Elternteiles reagieren
Main-Post Würzburg/Bad Kissingen, 08. Oktober 2013
Hilfen in Trauerfällen über die Schule hinaus
Wenn ein Elternteil mit einer schweren Krankheit belastet ist oder gar daran stirbt, ist in der Familie nichts mehr so, wie es mal war. In Deutschland werden nach Schätzung des Robert-Koch-Institutes jährlich 150 000 bis 200000 Kinder unter 18 Jahren neu damit konfrontiert, dass Mama oder Papa an Krebs erkrankt sind. Damit Kinder eine Chance bekommen, ihre Trauer zu bewältigen, bieten verschiedene Organisationen in Unterfranken professionell geleitete Trauergruppen an. Zu ihnen gehören die Christian Presl-Stiftung in Bad Kissingen und die Bayerische Krebsgesellschaft.
Beide stellten beim Treffen der unterfränkischen Kriseninterventionsteams für Schulen (siehe Interview) ihre Arbeit vor. Ziel, so Reinhold Grimm, Diözesanbeauftragter „Krisenseelsorger im Schulbereich“ (KiS), sei es, weitergehende Hilfen über die Schule hinaus empfehlen zu können.
Diplom-Sozialpädagogin Maritta Düring-Haas von der Christian Presl-Stiftung hat viel mit Kindern im schulpflichtigen Alter zu tun. Sie leitet eine Trauergruppe für Kinder und Jugendliche von sechs bis 16 Jahren, die ein Elternteil durch Krebs oder einen Unfall oder durch Suizid verloren haben.
JDie Reaktionen nach einem solchen Ereignis reichten von Ruhelosigkeit, Schlafstörungen über Essstörungen bis hin zu Aggressivität. „Es ist ganz wichtig, den Kindern einen eigenen Raum zum Trauern zu geben“, sagt Düring-Haas. In einer Trauergruppe entstehe schnell ein Gemeinschaftssinn, eine besondere Atmosphäre, in der Kinder Fragen stellen können, die sie aus Rücksicht auf Mutter oder Vater niemals zu Hause stellen würden. Je nach Alter der Kinder wird der Tod unterschiedlich wahrgenommen. Wichtig sei es, immer klare und altersgerechte Begriffe zu verwenden.
Ab sechs Jahren spiele die Frage der eigenen Schuld am Tod der Eltern eine Rolle. „Ist Mama nur gestorben, weil ich nicht lieb war und mein Zimmer nicht aufgeräumt habe?“ Da müsse man sehr bestimmt dagegen halten. Ab neun Jahren haben die Kinder ein Verständnis dafür entwickelt, dass der Tod etwas Endgültiges ist. Dann stehen aber auch Forscherfragen im Raum. „Tut das weh, wenn man verbrannt wird, was passiert da?“ Ab etwa zwölf Jahren entsprechen die Empfindungen den von Erwachsenen. Je nach Alter und Kultur gibt es unterschiedliche Bewältigungsstrategien.
„Ich glaube, mein Kind trauert nicht!“ Diesen Satz hört Maritta Düring-Haas sehr häufig. Sie fragt dann immer, was man denn unter Trauern genau verstehe – und dann erschließt sich schnell, dass es keine einheitliche Form der Trauer gibt. Die einen wollen reden, die anderen lieber schweigen, die einen kapseln sich ab, die anderen können nicht mehr allein sein.
Wenn man, so Düring-Haas, eine Familie mit einem Mobile vergleiche, aus dem plötzlich ein Teil wegbreche, dann seien es oft die Kinder, die mit ganzer Kraft versuchen, das Gleichgewicht zu halten. Denn Erwachsene trauern anders als Kinder, unmittelbarer, sichtbarer. Wenn in der Familie wieder einigermaßen Normalität einkehrt, fangen viele Kinder erst mit ihrer Trauerbewältigung an. „Kinder können schnell umswitchen und darin liegt bei ihnen die Chance, mit der Trauer fertig zu werden. In einem Moment weinen sie, im nächsten spielen sie Fußball, lachen und grölen.“ Das Wichtigste für Kinder ist es, möglichst schnell wieder Normalität zu spüren. Lehrer sollten Kinder, die vom Tod eines Elternteils betroffen sind, keinesfalls vor der Klasse als Opfer herausstellen, sie nicht von Pflichten entbinden oder sie übermäßig loben. „Dennoch sollte man die persönliche Situation eines Kindes immer im Hinterkopf haben“, so die Pädagogin.
Evelyn Flohr-Schmitt von der Krebsberatungsstelle in Würzburg bestätigt das. „Hier ist es wichtig, den Familien zu helfen, möglichst normal weiterzuleben“, so die Familientherapeutin und Psychoonkologin. Die Krankheit dürfe nicht Chef im Leben werden. Eine Krebsdiagnose komme meist unerwartet. Für Kinder bedeute das eine lebensbedrohliche Situation, die lange anhält. In keinem Fall aber sollte eine Krankheit verheimlicht werden. „Kinder spüren schnell, wenn etwas nicht stimmt, und erfahren es dann womöglich von jemand anderem.“
Größere Kinder wollten häufig kein Mitleid. „Sie machen das mit den besten Freunden aus. Darüber hinaus soll es keiner im schulischen Umfeld wissen, denn sie wollen ganz normal weiterleben können.“ Kinder entlastet es zudem sehr, wenn sich Erwachsene Unterstützung von außen holen und sie in die Hilfe im Alltag einbezogen werden.
(Verfasserin: Melanie Jäger)